Was ist eigentlich Storytelling im Marketing? Und was sind gute Beispiele? Sowohl meine Kunden als auch meine Studierenden fragen mich immer wieder danach. Und weil ich mir vorstellen kann, dass du dir auch diese Fragen stellst, widme ich mich in diesem Artikel dem Thema: „Storytelling at its best!“ Ich habe mir überlegt, ich fange mit fünf Beispielen aus der Praxis an, und es kann gut sein, dass ich daraus eine kleine Serie mache. Mir ist es an dieser Stelle aber erst einmal wichtig, dass du ein Gefühl dafür bekommst, was Storytelling im Marketing ausmacht. Außerdem sollen dich diese Best-Practice-Beispiele inspirieren und dich zum Nachdenken anregen, wie du Storytelling für dein Business nutzen kannst.
Professionelles Storytelling lebt von großen Gefühlen.
Der amerikanische Anthropologe und Psychologe Paul Ekman hat sechs kulturübergreifende Basisemotionen definiert und beschäftigte sich dabei mit den Fragen, wie Gefühle überhaupt entstehen und wie sie sich in unserer Mimik äußern. Zu diesen „Grundemotionen“ zählen Überraschung, Freude, Trauer, Angst, Ekel und Wut. Dir fehlt die Liebe, das Heldentum oder die Schuld dabei? Dann bist du nicht allein, andere Wissenschaftler fügten diese und noch einige andere Emotionen hinzu. Worum es aber unterm Strich geht, ist: Gefühle sind das Salz in der Suppe und natürlich auch der äußerst intensive Kraftstoff einer erfolgreichen Story.
Die Storytelling-Cases
Best-Practice-Beispiel: Nike Dream Crazy
Starten möchte ich mit einem Best-Practice-Case von Nike „Dream Crazy“. Aber bevor es losgeht, möchte ich kurz noch mit dir in die Markenwelt eintauchen. Nike ist nämlich nicht nur der weltweit größte Sportartikelhersteller. Nike hat eine Mission, die Marke will Teil der Sportler sein, sie unterstützen – innerhalb des Trainings und darüber hinaus. Das Leitbild lautet: Alle Athleten auf dieser Welt durch Innovationen zu inspirieren. (Jeder, der einen Körper hat, ist ein Athlet.)
Darüber hinaus ist die Marke mit dem starken Logo ein Enabler, ein Möglichmacher, der eben nicht nur ausstattet oder ankleidet, sondern seine Kunden auch versteht, positiv herausfordert und motiviert: „Just do it!“
Storytelling transportiert die Werte der Marke Nike
Wenn du meine Blogartikel oder Newsletter liest, wirst du sicher bemerkt haben, wie wichtig mir das Thema Markenwerte sind. Werte sind aus Marketingsicht nicht mal eben schnell austauschbar. Denn Werte, die einmal verankert sind, stiften Sinn, schaffen Identifikation und sorgen für das, was unsagbar kostbar ist: Markenloyalität. Oder wie Howard Schultz, Ex-Chairman von Starbucks, sagte:
„Wenn Menschen glauben, dass sie die Werte eines Unternehmens teilen, dann bleiben sie der Marke treu.“
Nike steht nicht nur für relative „Standard-Werte“ wie Innovation und Kundenorientierung, sondern auch für Mut, großen Sportsgeist, gesellschaftliche Verantwortung und Respekt.
Was ist stärker als der Glaube an das eigene Talent?
Kommen wir jetzt zum Nike-Spot, der im wahrsten Sinne des Wortes die Welt bewegt hat: „Dream Crazy“. Es ist ein Spot zum Jubiläum des Slogans „Just do it“ von Wieden+Kennedy https://www.wk.com/work/nike-dream-crazy/, der in meinen Augen aus vielen Gründen ein Meisterwerk ist. Der Spot zelebriert auf bemerkenswerte Art den Sport und seine Athleten, er setzt konsequent auf Emotionen, er verbindet Menschen mit einer großartigen Idee, er krönt all jene, die an das Unglaubliche glauben, und endet mit einer klaren Aufforderung: „Don’t ask if your dreams are crazy. Ask if they’re crazy enough.“ Einer der Protagonisten der Kampagne ist Colin Kaepernick, ein ehemaliger Football-Profi, der die Protestwelle „Take a knee“ gegen Polizeigewalt und Rassenungleichheiten startete, daraufhin gefeuert wurde und seither keinen Verein mehr findet.
Nike stellt sich der Konfrontation.
Nike aber setzte weiter ganz konsequent auf Kaepernick als Gesicht der Storytelling-Kampagne, woraufhin in Amerika Nike-Schuhe verbrannt wurden, politische Diskussionen begannen und die Aktienkurse der Marke drastisch fielen. Und während die internationale Presse mehr und mehr darüber berichtete, konnten die Menschen aus aller Welt sehen, wie sich der Mut und die Haltung von Nike mit der Solidarität vieler Menschen verbanden und ein wahrer Hype ausgelöst wurde. Sieh dir auch das zweite Video an. Es ist die Case Study, die zeigt, wie erfolgreich und gestärkt die Marke aus dem Konflikt hervorgegangen ist.
Storytelling für Helden des Sports.
Nike: Dream Crazy
Nike: Case Study
The most powerful person in the world is the storyteller. The storyteller sets the vision, values and agenda of an entire generation that is to come.
Steve Jobs
Best-Practice-Beispiel: Mercedes-Benz Grow up
Bereit für ein weiteres Storytelling-Beispiel von Mercedes-Benz? Ich muss sagen, als ich den Spot „Be a good parent“ das erste Mal gesehen habe, war ich echt gerührt. Und gleichzeitig auch überrascht, wie neu sich Mercedes-Benz in der Kampagne „Grow up“ präsentiert hat. „Radikal anders“ hieß es in der W&V, jung, spontan und menschlich. Die fünf von der Berliner Agentur Antoni entwickelten Spots setzen die neue Baureihe auf verblüffend emotionale und ungewöhnlich unwerbliche Weise in Szene. Für mich war es ein echtes Content-Erlebnis in der großen Werbewelt: die Bilder, so ehrlich und voller Leben, die Protagonisten wahrhaftig und authentisch. Die modernen Geschichten lassen diesmal nicht einer sonst so häufig gewählten „heilen Welt“ den Vortritt, sie fokussieren eher die Konflikte und Herausforderungen einer jungen und selbstbewussten Generation. Beachtenswert ist auch, wie zurückhaltend und dennoch wirkungsvoll sich die Marke in die Storys einbettet. Chapeau!
Mercedes: Be a good parent
Mehr Infos zu der Kampagne findest du hier: https://www.mercedes-benz.com/de/lifestyle/grow-up-geschichten-einer-neuen-generation/
Best-Practice-Beispiel: Budweiser “Puppy Love”
Dieses Commercial von Budweiser ist nicht nur der beliebteste “Super-Bowl”-Spot, es ist auch das Paradebeispiel für professionell konzipiertes Storytelling: Es gibt einen süßen Hund, ein imposantes Pferd und einen Konflikt. Es gibt eine Moral, die davon erzählt, dass echte Freunde unzertrennlich sind und es gibt eine Marke, die alle positiven Emotionen am Ende des Spots charmant einkassiert – mit dem markenbezogenen Abbinder “Best Buds”. Budweiser hat wirklich alles richtig gemacht und die Ergebnisse sprechen für sich: “Super Bowl” Platz 1 mit 50 Mio. Video-Views, davon 80% Earned Views.
Best-Practice-Beispiel: Siemens Helping Hand
Storytelling und Business-to-Business? Es funktioniert!
In den Jahren meines Lebens als Creative Director kam immer mal wieder der Einwand, dass Storytelling im B-to-B-Geschäft nicht gut funktioniert. Oft kam das Argument: wegen der hohen Emotionalität. Du ahnst sicher schon, was ich darauf geantwortet habe, oder? Geschichten (gerade in den B-to-B-Märkten) eignen sich besonders, weil sie Unterschiede aufzeigen. Weil sie auf das Image eines Unternehmens einzahlen, weil sie die Vision, Mission, die Geschichte und die Werte einer Company wunderbar vermitteln können. Wenn Produkte, Technologien immer austauschbarer werden und wirkliche USPs schwer zu beschreiben sind, dann kommt Storytelling erst recht eine besondere Bedeutung zu. Coole Sneaker, edle Weine oder schöne Taschen haben den Vorteil, dass sie sinnlich wahrnehmbar sind und optisch überzeugen können – aber technische Vorgänge oder digitale Innovationen?
Der Gesellschaft dienen.
Das Beispiel von Siemens zeigt dir, wie genial das Unternehmen es geschafft hat, sein „Warum“, seine Vision zu kommunizieren. Warum gibt es Siemens überhaupt? Was ist die Daseinsberechtigung der Marke? Siemens transportiert mit „Helping Hand“ ein echtes Anliegen und einen klaren Anspruch: „Vor 170 Jahren wurde Siemens gegründet, getragen von der Idee, dass ein Unternehmen zu mehr verpflichtet ist als seiner Gewinnmaximierung … Ein Unternehmen sollte der Gesellschaft dienen.“https://www.dc.siemens.com/vision2020plus/de
„Helping Hand“ ist eine Geschichte, die Siemens als sinnstiftende Marke zeigt. Eine Marke, die hinsieht, hilft, Probleme löst und das Leben besser macht. Wie genau, das solltest du dir hier ansehen.
Best-Practice-Beispiel: Johnnie Walker Dear Brother
Zeit für das fünfte Beispiel. Ein Brand-Storytelling für Johnnie Walker, Black Label Scotch Whisky. Das Besondere an diesem Spec-Spot ist, dass es eine Arbeit von zwei Nachwuchsregisseuren ist, Daniel Titz und Dorian Lebherz. Ich weiß nicht, wie es dir gehen wird, wenn du ihn siehst; bei mir war es so, dass ich ihn mir gleich mehrmals hintereinander ansehen musste, so beeindruckt war ich: Das Setting, die Story, die Tonality – alles so fein komponiert, ohne auch nur für eine Sekunde konstruiert zu wirken.
Dabei ist es den jungen Regisseuren gelungen, den Markenkern, die Haltung und den Slogan der Marke „Keep Walking” gekonnt einzubetten. Was neben den großen Bildern für mich bleibt, sind die Lyrics, die den Spot wirklich zum Meisterwerk machen:
Johnnie Walker, keep on walking!
Walking the roads of our youth through the land of our childhood, our home and our truth / Be near me, guide me always, stay beside me so I can be free, free / Let’s roam this place familiar and vast our playground of green frames, our past / We were wanderers never lost, always home / When every place was fenceless and time was endless our ways were always the same / Cool my demons and walk with me brother until our roads lead us away from each other / And if your heart’s full of sorrow, keep walking / Don’t rest / And promise me from heart to chest to never let your memories die / Never / I will always be alive and by your side in your mind / I’m free.